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Heidi Nowrath ergänzt im Nachhinein einige Informationen im Text.
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Es war am 1.3.43, als wir in Berlin ausgebombt wurden. Rechts und links schlugen die Bomben in die Häuser, gegenüber eine Miene. Bei uns gab es viele Verletzte. Unser Haus wurde später durch den Funkenflug in Brand gesetzt (es war ein furchtbarer Anblick). Wir mußten durch den Mauerdurchbruch, da unsere Haustür verschüttet war. Ringsherum stand alles in hellen Flammen. (Seite 1)
Ich wollte nicht aus dem Haus, weil ich vor dem Feuerregen Angst hatte. Ein Herr nahm mich auf seine Arme und trug mich bis zur nächsten Straße, wo wir in einem Haus eine Stunde auf das Auto vom Amt warteten. Wir mußten viele Umwege bis zu Thieleckes (meinem Onkel) machen weil überall Brände waren. Wir blieben mehrere Tage dort. Mir selbst war noch lange schlecht. Dann fuhren (Seite 2)
wir nach Obernigk zur Großmutter, wo ich mich so langsam erholte. Mutti lief alle Tage nach einer Wohnung, bis es ihr endlich glückte ein Wochenendhäuschen zu mieten, in dem wir fast zwei Jahre wohnten. Mutti und ich haben uns dort gut erholt und mit Vater und Horst viele schöne Stunden verlebt. (Seite 3)
Am 20.1.1945 (da die Russen erwartet wurden) mußten wir plötzlich aus Obernigk hinaus (in ½ Stunde sollte ein Treck gehen). Da Mutti nicht so schnell wußte wohin (weil sie auch für Großmutter alles erledigen mußte), sollte ich erst mal mit den Steinschen Kindern auf das Gut einer Tante (von ihnen). Hedel (das Mädchen von Steins …), die 4 Kinder und ich versuchten vergebens mit der Bahn oder dem Treck mitzukommen (alles übervoll). So machten wir uns zu Fuß auf den Weg (und) liefen bis nach Auras, wo wir um ¾ 5 ankamen. Um ½ 2 gingen wir aus Obernigk (Seite 4) weg. Von der NSV bekamen wir (dort) Brot und Wurst. Wir gingen um ½ 6 mit den Kleidern in die Betten,zu 9 in 2 Betten, weil die Gefahr bestand in der Nacht hinaus zu müssen. Um 9 Uhr mußten wir in Regen und Schnee heraus weil ein Treck kommen sollte der uns evt. mitnehmen solle, wir standen bis um 12 Uhr und froren fürchterlich. Leider war der Treck so voll, daß (Seite 5) wir nicht mitkamen, und wir wieder in die Betten krochen. Am nächsten Morgen um 6 Uhr liefen wir bis zur Oder (und) wurden mit einer Fähre hinübergesetzt. Von dort liefen wir 5 Kl. weiter bis nach klein Bresa, von dort mit der Bahn bis Steinau, umsteigen und weiter auf den Trittbrettern von der Bahn, bis nach Liegnitz. Dort gingen wir zur NSV. Einen tiefen Teller voll Grieß (Seite 6) -brei bekamen wir. Es war so viel, daß uns Frl. Hedel füttern mußte (sogar mich). Dann übernachteten wir bei sehr netten Leuten, die uns Kuchen und Brot gaben. Aber die Größte Freude war, als wir eine Badewanne zum waschen bekamen. Sehr müde gingen wir zu Bett. Zu 2en lagen wir in den Betten. (Wir) 5 Kinder waren im ganzen Haus verteilt. Linda und ich schliefen zusammen. Am Morgen gaben (Seite 7) uns die netten Leute 2 Bären und 8 Schafe zum Spielen. Um 7/ ¼ 8 Uhr gingen wir nach Rüstern über Haynau. Dort aßen wir ein 4 Pfund Brot auf. Dann marschierten wir bis nach Langenwaldau. Dort wurden wir mit Mohnkuchen empfangen der uns gut schmeckte. Am Abend gingen wir früh zu Bett. Um 9 Uhr am anderen Tage standen wir auf, aßen Mohn- und Streußel (Seite 8) -kuchen. Dann ging es auf den Heuboden, (und) tobten herum. Nachdem besichtigten wir die Pferde, Kühe, Schafe, Schweine, Kälber, Ziegen, und Gänse. Da hörte ich wie jemand nach mir fragte. Ich sah einen Mann stehen, und ging zu ihm. Er sagte, daß er vom Vater käme, und mich abholen solle. Wir aßen noch gut zu Mittag, fuhren mit einem Wagen nach Liegnitz von (Seite 9) dort (mit der Bahn) nach Berlin. In Berlin war eine große Wiedersehensfreude als ich mit Herrn Gundlach (im Amt) ankam. (Vater + Mutter waren sehr in Sorge um mich gewesen da sie ja nicht wußten wo ich verblieben war). Mittwoch den 24.1.1945 war das. Am 27.1.45 leutete Horst (aus ?) an. Bis zum 31.1.45 verlebten wir schöne Tage mit Vater zusammen (obgleich wir oft im Keller saßen + die Flugzeuge viel Unheil anrichteten). Am Abend noch fuhren wir nach Dresden. Dort verlebten wir bis zum 13.2. sehr ruhige Tage. (Dort kannte man noch keine Angst vor Flugzeugen, niemand ging in den Keller, denn es war noch nie etwas passiert.) (Seite 10) Zweites (Drittes) Kriegserlebnis im Jahre 1945 (Dresden) Vom Dienstag dem 13.2.45 zu Mittwoch dem 14.2.45 war mein schrecklichstes Erleben. Um ½ 10 Uhr (nachts) war Alarm. Es bummerte schrecklich (und diesmal gingen wir alle in den Keller). Die Bomben pfiffen und der Lärm war furchtbar. Die Türen, Fenster, Steine, und Funken flogen (nur so), aber es ging glücklich vorüber und wir überlegten wir ob schon heraufgehen wollten, da kam der zweite Alarm (Seite 11) um 1 Uhr. Da krachte und donnerte es noch mehr. Der Keller war voll Qualm da alles offen stand. Mein Onkel (der bis dahin mit Mutti Funken in der Wohnung ausschlug) sagte wir müssen raus. Ich habe (tauchte) eine Decke (in ein … mit Wasser) damit die Funken sie nicht anbrennen und nahm sie über den Kopf. Meine Tante aber wollte nicht hinaus, da mein Onkel noch Koffer holen wollte. Da gingen wir (Mutti und ich) alleine. Es brannten alle Häuser lichterloh. Der (Seite 12) Feuerregen war furchtbar. Der Wind fegte so doll über die Straßen, daß er uns einmal umwarf (Mutti riß mich aber noch hoch). Wir mußten bald ersticken, so ein Qualm war. Ein Funken flog mir in das linke Auge. Das tat sehr, sehr weh. An einer Ecke machten wir halt um Luft zu schnappen. Dann liefen wir mit großer Mühe zum großen Garten. Dort saßen wir bis zum Morgen. (Wir suchten nach unseren Verwandten, da wir sie nicht fanden) gingen wir bis nach (Seite 13) Strehlen. Dort trank ich ¼ l. Milch. Weiter ging es nach Goppeln. Dort gab es Marmeladenbrote mit Kaffee (durch die N.S.V.). Ein Alarm überraschte uns auch wieder. (Wir hatten es schon raus uns in den Graben zu werfen). Weiter zu Fuß nach Rippien. Dort bekamen wir belegte Brote und Kaffee. Ach Auch (Auf) einem Leiterwagen fuhren wir bis nach Possendorf, von dort wieder zu Fuß bis Rabenau. Im ganzen 16 km unterwegs mußten wir uns manchmal in den Graben legen, weil wir (Seite 14) dachten, es wären feindliche Flieger. Im Rathaus wurden wir von der N.S.V. mit Brot und Bier bewirtet und uns ein Quartier angewiesen. Bei einer netten Bäckersfrau mit zwei Kindern von 4 ½ + 6 Jahren bekamen wir eine Bodenkammer. Ihr warmes Wohnzimmer und die Küche dürfen wir mitbenutzen. Drittes Kriegserlebnis im Jahre 1945 Wir waren nicht ganz ¼ Jahr (Seite 15) in Rabenau, da stand am Montag d. 7. Mai 45. ein Anschlag an den Brettern, daß Mütter mit Kindern R. so schnell als möglich verlassen möchten. Mutti packte schnell unsere Sachen in die Rucksäcke u. um 11Uhr machten wir uns auf den Weg zu der Mühle von wo aus ein Treck zu Fuß nach Marienberg gehen sollte. Als wir hinkamen wußte niemand bescheit. Mutti ging bis zum Rathaus zurück, aber auch dort konnte (Seite 16) uns niemand genau Auskunft geben. Da nahmen wir unsere Pakete und folgten dem Menschenstrom. In Unterrabenau nahm uns ein geschlossenes Kastenauto in dem schon eine Frau mit zwei Kindern saß, mit. Leider war es nicht lange, da mußten wir wieder aussteigen u. hatten noch 1 St. zu Fuß bis Dippoldiswalde. Öfters legten wir uns in den Wald da Tiefflieger kamen. Als wir aus dem Walde raus kamen sahen wir Einschläge und hörten es tüchtig krachen. Ich war sehr aufgeregt u. (Seite 17) fragte einen Soldaten was das wäre. Er sagte. „Es ist Krieg mein Kind!“ Immerzu mußten wir unser Gepäck absetzen weil es zu schwer war. So kamen wir D langsam nach Dips, wo wir auf einen langen Treck stießen. Wir schlossen uns ihm an und durften unser Gepäck mit auf den Wagen legen. Nach einiger Zeit hob mich Mutti auf den Bock u. ich konnte mich eine Weile ausruhen. Auf einmal kamen wieder Tiefflieger und wir flüchteten schnell unter eine Weide am Bach. Vor Angst u. Eile wäre ich (Seite 18) beinahe in den Bach gerollt. Mutti hielt mich zum Glück feßt. Dann konnte man wieder ein Stück laufen da hieß es wieder Achtung! Tiefflieger. Alles flüchtete in den Wald oder Graben bis wir uns wieder weiter wagen konnten. Oft war es ein recht trauriges Bild, wenn wir an den getroffenen Menschen vorüber mußte. Erschlagene Menschen und Pferde umgekippte Wagen Menschen die ihr bißchen Hab u. Gut aus den Trümmern wieder heraussuchten. Ich mußte darüber (Seite 19) weinen. Und immer hatte man Angst wann es einen selber treffen würde. So fuhren wir durch Carlsdorf, Mauendorf nach Schmiedeberg. Es war ½ 10 Uhr abends. Eine St. hatten wir dort Aufenthalt. Dann stiegen wir auf den Wagen, Mutti neben mich auf den Bock, jeder mit einem St. Brot, fest in die Decken eingehüllt. So fuhren wir die Nacht durch, über Gibsd Kipsdorf nach Altenberg. Dort blieb das Fuhrwerk, und wir mußten zu Fuß weiter. In Altenberg sah (Seite 20) es ganz schrecklich aus. Mir war sehr schlecht. Ich konnte mein Paket kaum noch tragen. Immerzu krachte es, weil ein Munitionslager gerade getroffen war. Es war heiß weil ich viele Sachen übereinander an hatte, auch roch es schrecklich nach den verkohlten und eingestürzten Häusern und ausgebrannten Panzern.“ (Seite 21)